Töten statt Geburtenkontrolle Stadt Limburg will Tauben an den Kragen
In vielen Städten gibt es zu viele Tauben. Während mancherorts versucht wird, die Population durch Geburtenkontrolle in betreuten Taubenschlägen einzugrenzen, will man die Tiere in Limburg gezielt töten. Das sorgt für Widerstand.
Von Rebekka Dieckmann und Benjamin Müller
Sie fliegen über 80 Stundenkilometer schnell, können Kunstwerke unterscheiden und bleiben ihrem Partner lebenslang treu. Tauben sind einerseits faszinierende Tiere. Ihr Ruf ist andererseits aber nicht sonderlich gut. Besonders in der Stadt gelten sie als die "Ratten der Lüfte".
Ursprünglich mal als Haustiere domestiziert, haben sich Tauben inzwischen einen festen Platz in unseren Städten erkämpft. Und das in Mengen. Auch in Limburg gibt es zu viele Tauben. Meistens sind Stadttauben vor allem aufgrund ihrer Hinterlassenschaften unbeliebt, zudem geht es vielen Tieren nicht gut: Oft sind sie krank, verletzt oder mangelernährt.
Tauben werden in "Fangschlag" gelockt
Anfang des Jahres wurden laut Stadt Limburg bei einer Taubenzählung 272 Tiere gezählt. Hochgerechnet gehe man deshalb von 700 bis 1.000 Tauben im Stadtgebiet aus. Der Limburger Umweltausschuss hat nun beschlossen, die Tiere in Zukunft gezielt töten zu lassen. Am Montag soll in der Stadtverordnetenversammlung darüber abgestimmt werden.
Die Idee: Tauben sollen mit Futter in eine Art Taubenhaus gelockt werden. Dieser sogenannte Fangschlag fungiert als Falle: Die Tauben können zwar rein-, aber nicht wieder rausfliegen. Im Fangschlag sollen sie dann händisch von einer Person mit behördlicher Genehmigung per Genickbruch getötet werden. Auf diese radikale Art soll die Taubenzahl in besonders bevölkerten Stadtbereichen in recht kurzer Zeit reduziert werden.
Andere Städte setzen auf Geburtenkontrolle
In anderen Städten kennt man das Problem auch, setzt aber auf friedliebendere Methoden zur Eindämmung der Population. Das sogenannte Augsburger Modell basiert ebenfalls auf Taubenhäusern, allerdings einer ganz anderen Art: Tiere werden in betreuten Taubenschlägen versorgt und gegebenenfalls auch gesundgepflegt. Ihre Eier werden dort mit Attrappen aus Gips oder Kunststoff getauscht. Hier ist die Idee: Die Taube brütet, es schlüpft aber kein Nachwuchs.
Diese Art von Geburtenkontrolle wird beispielsweise von einem Frankfurter Verein vorangetrieben. Die ehrenamtlichen Helfer betreuen inzwischen mehrere Taubenschläge in Frankfurt und Wiesbaden.
Limburger Taubenschützer "hart getroffen"
Auch in Limburg gibt es Menschen, die sich für das Leben der Tauben in ihrer Stadt einsetzen. Tanja Müller ist seit 2019 ehrenamtlich für das Stadttaubenprojekt Limburg aktiv. "Uns ist sehr bewusst, dass Tauben nicht jeder mag, und trotzdem hat jedes Lebewesen ein Recht auf Respekt", meint Müller.
Das Taubenprojekt nimmt derzeit Tiere auf, versorgt und pflegt sie gesund. Weil Taubenfüttern offiziell verboten ist, habe man dafür eine behördliche Genehmigung eingeholt, so Müller.
Der Verein setzt sich außerdem schon lange für die Einrichtung von betreuten Taubenschlägen ähnlich wie in Frankfurt ein. Darüber sei man auch schon im Gespräch mit der Stadt Limburg gewesen, sagt Müller. Die Entscheidung für das Taubentöten sei nun äußerst überraschend gekommen und habe die Ehrenamtlichen vom Stadttaubenprojekt "hart getroffen", sagt sie.
Müller ist überzeugt: Taubenschläge seien nicht nur tierwohlgerechter als das Töten, sie würden auch nachhaltig die Population verringern und die Städte sauberer halten. "Die Tiere halten sich dann größtenteils in den Häusern auf."
Stadt: Betreute Taubenschläge teurer und weniger wirksam
Die Stadt Limburg teilte dazu mit: Der Magistrat habe dem Umweltausschuss eigentlich empfohlen, sich für betreute Taubenschläge auszusprechen. Dass es nun anders gekommen ist, liege zum einen an den höheren Kosten: Zwei betreute Taubenschläge würden die Stadt pro Jahr rund 90.000 Euro kosten, das Töten nur rund 20.000 Euro.
Außerdem heißt es: Der Umweltausschuss sei überzeugt, dass man mit den Taubenschlägen nur einen Teil der Tiere erreichen könne. Wenn Tiere nicht dort brüten, könne man ihnen auch keine Eier wegnehmen.
Falkner aus Villmar mit "Lizenz zum Taubentöten"
Den Umweltausschuss bei seiner Entscheidungsfindung beraten hat der Falkner und Jäger Berthold Geis aus Villmar (Limburg-Weilburg). Mit seiner "Lizenz zum Taubentöten" macht Geis schon seit Jahren immer wieder auf sich aufmerksam.
Schon vor über zehn Jahren erkämpfte er sich mit mehreren Gerichtsentscheiden die behördliche Genehmigung, Tauben fangen und töten zu dürfen. "Verwilderte Straßentauben sind Schädlinge", hieß es etwa 2011 in der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs. Damals wurde überregional über Geis berichtet.
Geis ist überzeugt: Mit seiner Methode lässt sich die Taubenpopulation in einer Stadt nicht nur schneller, sondern auch dauerhafter reduzieren als mit dem Eieraustausch. Zudem komme es rund um betreute Taubenhäuser sogar oft zu besonders starker Verschmutzung, meint er.
Unterschiedliche Ansichten zu Taubenhäusern
Tatsächlich gibt es verschiedene Ansichten darüber, wie wirksam betreute Taubenschläge sind und welche Auswirkung sie bezüglich der Verschmutzung haben. Die rheinland-pfälzische Stadt Montabaur berichtet beispielsweise, in fünf Jahren habe sich die Zahl der Tauben mit Taubenschlägen um ein Drittel reduziert.
Allerdings gibt es rund um die Schläge auch immer wieder Probleme mit Verschmutzungen durch Kot. Deshalb wurden zum Beispiel am Wiesbadener Bahnhof und in einem Parkhaus in Frankfurt Taubenschläge wieder geschlossen.
Umweltministerium : "Grundsätzlich keine Schädlinge"
Das hessische Umweltministerium hält betreute Taubenhäuser für eine "effektive Maßnahme", um den Taubenbestand in Städten langfristig zu reduzieren. Auf Anfrage des hr betont das Ministerium, Tauben seien "grundsätzlich keine Schädlinge", von einem erhöhten Risiko der Übertragung von Krankheitserregern durch die Tiere auf den Menschen sei nicht auszugehen.
"Nach Auffassung der Rechtsprechung stellte die Tötung von Stadttauben die allerletzte Möglichkeit nach gründlicher Prüfung tierschutzgerechterer Alternativen dar", stellt das Ministerium klar - und fügt hinzu, dass es nach jetzigem Kenntnissstand keine Kommune in Hessen gibt, die Tauben töten lässt. Man gehe davon aus, "dass die Stadt Limburg das Vorliegen eines vernünftigen Grundes bei ihrer Entscheidung intensiv prüft."
Falkner: Bei Ratten fragt auch niemand, ob sie gut versorgt sind
"Wir leben nun mal nicht mehr in einer reinen Natur, sondern in einer von Menschen gemachten Kulturlandschaft, in der es Gewinner und Verlierer gibt", meint Falkner Geis und verweist auf Waschbären, Wildschweine und in diesem Fall eben die Tauben. "Das ist ein menschengemachtes Problem", meint er. Anders als dadurch, sie zu töten, werde man des Problems aus seiner Sicht nicht mehr Herr.
Dass das Töten Reaktionen hervorruft, kann Geis zwar nachvollziehen. Trotzdem werde die Debatte seiner Ansicht nach zu emotional geführt. Er argumentiert: Bei Ratten frage schließlich auch niemand, ob sie gut mit Wasser und Futter versorgt seien. Die Tötungsmethode durch Genickbruch sei zudem nichts anderes, als wenn ein Hasenzüchter oder Hühnerhalter ein Tier tötet. Geis spricht von einem sogenannten "Sekundentod".
Geis bietet den Fangschlag inzwischen gemeinsam mit seiner Tochter auch als eine Dienstleistung für Unternehmen und Kommunen an. Der Familienbetrieb zur Taubenabwehr wirbt im Internet, dass damit eine "dauerhafte Beseitigung der Tauben" möglich sei.
Tierschützer appellieren an Stadt
In Limburg haben Tierschützer sich inzwischen an die Stadt gewandt: Der Deutsche Tierschutzbund appelliert, die Maßnahme nicht durchzuführen. James Brückner vom Tierschutzbund sagte auf hr-Anfrage: "Finanzielle Gründe sind kein Argument für Tierleid oder tierschutzwidrige Vorgehensweisen."
Man sei außerdem überzeugt, dass betreute Taubenschläge die richtige und nachhaltige Lösung sind und sich die anfänglichen Investitionskosten langfristig rechnen würden.
Auch die hessische Landestierschutzbeauftragte hat inzwischen Stellung bezogen: Man lehne den Vorstoß ab, Tauben in Limburg zu töten, teilte die Tiermedizinerin Madeleine Martin mit. Es gebe tierschutzkonformere Lösungen, heißt es mit Verweis auf das Ausgburger Modell.
Abstimmung am Montag
Ob es in der Sache doch noch eine Kehrtwende gibt, wird sich am Montag in der Stadtverordnetenversammlung zeigen. Das Taubenprojekt in Limburg will laut Tanja Müller mit seiner Arbeit jedenfalls so oder so weitermachen. Auch wenn den Freiwilligen das Herz bluten würde, wenn eine von ihnen gesundgepflegte Taube "weggetötet wird", wie sie sagt. Parallel zur Stadtverordnetenversammlung soll es eine Demonstration geben.
Dass Berthold Geis dann am Ende auch den Zuschlag für den Auftrag zum Töten bekommt, ist laut Stadt übrigens noch gar nicht sicher. Der Auftrag müsse dann erstmal ausgeschrieben werden.
Sendung: hr4, 9.11.23, 16.15 Uhr
Ende der weiteren Informationen
Author: Katherine Eaton
Last Updated: 1702060561
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